Shanghai, das moderne China
Am Flughafen Shanghai Pudong kommen täglich Scharen von Touristen an. Wer nun glaubt, nach dem etwa 10-stündigen Flug von Deutschland aus könne man gleich ins Hotel fahren, um sich zu erfrischen, hat nicht mit den akribisch genauen Einreisemodalitäten gerechnet. In unserer Reisegruppe befand sich auch eine moslemische Familie, was dazu führte, dass die Warteschlange hinter uns immer länger wurde. Vater, Mutter und drei Kinder wurden ganz genau kontrolliert, da noch ein Stempel, hier noch ein Fragebogen, und dann nochmal ein Foto, und noch einen Stempel … aber endlich, nach zwei vollen Stunden, waren wir alle durch. Wir freuten uns, mit dem bis dato einzigen betriebenen Streckenzug des Transrapids fahren zu können. Die 30 km Entfernung nach Shanghai City rasten wir mit 430 km/h in nur 8 Minuten. Das Ticket kostet umgerechnet 5 Euro, und wie uns der Reiseleiter erklärte, kann sich ein durchschnittlich verdienende Chinese die Fahrt nicht leisten. Nur ganz selten, wenn zum Beispiel die Verwandschaft vom Land zu Besuch kommt, wird der Preis für das Ticket zusammengespart, um der Familie etwas besonderes zu bieten.
Familie, insbesondere die Verehrung der Eltern, hat in China einen besonderen Stellenwert. Das war schon immer so und ist ein Teil der chinesischen Kultur. Nicht immer hat diese Elternverehrung so eine beeindruckende Folgerung, wie man am Yu Yuan Garten sehen kann. Yu heißt Frieden und Gesundheit, und Yuan heißt Garten. Die Entstehungsgeschichte des Yu Yuan begann 1559 und dauerte 18 Jahre. Ein hoher Beamter, so wurden schon damals die Bediensteten des Staates bzw. des Kaisers genannt, baute diesen Garten zu Ehren seiner Eltern. Er wollte ihnen für das Alter einen Ort der Ruhe und Erholung schaffen. Mit unserem Reiseleiter durften wir diesen wunderschönen Garten besichtigen und obwohl er heute wohl mehr als Touristenattraktion gilt, strahlt er trotz der vielen Besucher diese Ruhe und Gelassenheit aus, die man mit der chinesischen Kultur in Verbindung bringt. Architektonische Kunstwerke wechseln sich ab mit alten Bäumen, Blumen, kleinen Seen. Alles harmoniert perfekt zusammen.
Dieser Ort der Ruhe und der Tradition bildet einen krassen Kontrast zum modernen Shanghai. Hochragende Gebäude, nachts bunt und grell beleuchtet, bilden am Bund, der Uferpromenade, die weltberühmte Skyline. Hier hat die Tradition längst ausgedient, Wirtschaft, Geld und Macht sind hier die Triebfedern. Viele deutsche Firmennamen kann man an den Hochhäusern entdecken, auch Banken und Versicherungen aus Deutschland sind hier ganz deutlich vertreten.
Zum Shoppen ist Shanghai mit seinen Einkaufsstraßen und -centern geradezu ideal. Allerdings sollte man dazu etwas Bargeld in der Tasche haben. Unser Reiseleiter erklärte uns schmunzelnd, dass es zwar an jeder Ecke einen Geldautomaten gäbe, an dem man sogar mit unserer ganz normalen EC-Maestro-Karte Geld abheben könne, er wollte aber mit uns wetten, dass wir nicht in der Lage seien, diesen Automaten Bares zu entlocken. Auf unser erstauntes Nachfragen hin erklärte er uns, dass die Chinesen locker jede Sprache sprechen, die es zu sprechen gilt. Auch Englisch. Allerdings würden sie die Fremdsprache für chinesische Zungen etwas gängiger gestalten. In der Tat. Beim Versuch, Geld abzuheben, bin ich mit englischen Wörtern konfrontiert worden, die ich nie zuvor in diesem Zusammenhang gehört hatte. Aber von diversen technischen Geräten ist man ja heutzutage die so genannte intuitive Bedienung gewöhnt, und so brauchte ich nur ungefähr 5 Versuche, bis ich stolz unserem Reiseleiter meine Beute unter die Nase halten konnte. Dass in Shanghai das Wetter sich in Sekunden ändert, wurde uns gleich in natura vorgeführt: ein plötzlicher heftiger Regenguss kam für die Geschäftsleute wie bestellt, denn die Touristen flüchteten in die Läden.
Abends wurde uns vom Busfahrer ein besonderes Erlebnis angeboten: eine Nachtfahrt durch das beleuchtete Shanghai mit Abstecher auf den höchsten Turm der Stadt. Unser Sinn für Umwelt und energiebewußtes Leben musste ein paar Stunden in den Hintergrund treten, denn man kann angesichts der strahlenden, glitzernden und blinkenden Beleuchtung nur staunen. Leider war die Zeit, die für Shanghai vorgesehen war, begrenzt und schon nach zwei Tagen reisten wir weiter. Gern hätte ich noch den weltgrößten Nagellackladen gesehen, der in meinem Reiseführer erwähnt ist. Ich hätte mich auch gern einfach ein bisschen unters Volk gemischt, und diese Stadt mit seinen Einwohnern beobachtet. Aber das mache ich dann das nächste Mal.